Hundeverhaltensberatung – Mehrhundehaltung – Teil 2
Überlegungen vor der Anschaffung des Zweit- und Dritthundes
Der Trend geht zum Mehrhundehaushalt. Immer mehr Menschen entscheiden sich dazu einem im Haushalt lebenden Hund einen vierbeinigen Gefährten an die Seite zu stellen. Die Gründe aus denen Menschen mehrere Hunde halten möchten sind vielfältig. Manche wünschen sich, dass ihr Hund einen Freund zu Hause hat, manche hoffen, dass ihr eher ängstlicher Ersthund von einem mutigeren Kumpanen profitiert, wieder andere möchten einfach noch einem Hund aus dem Tierschutz ein schönes Zuhause bieten.
Bevor Sie sich jedoch für vierbeinigen Familienzuwachs entscheiden, sollten Sie sich über einige Dinge Gedanken machen. Als erstes sollten Sie klären, sind wirklich alle Familienmitglieder mit der Anschaffung eines weiteren Hundes einverstanden? Es kann in den besten Familien zu Spannungen kommen, wenn jemand das Gefühl hat nicht genügend Aufmerksamkeit zu bekommen und sich zurückgesetzt fühlt.
Ist diese Frage geklärt, ist der wichtigste Faktor der bereits im Haushalt lebende Hund. Hat dieser Hund überhaupt gerne Kontakt zu Artgenossen? Wenn er gerne Kontakt hat, ist das auch im eigenen Zuhause so oder beschränkt sich das auf Gassibekanntschaften oder die Hunde auf der Hundewiese? Um diese Fragen zu klären sollten Sie sich viel Zeit nehmen, schliesslich geht es um eine Entscheidung, die das Leben aller im Haushalt lebenden Hunde und auch Ihr eigenes Leben massiv beeinflussen wird. Um zumindest abschätzen zu können, wie der Hund mit einem Lebensgefährten zurechtkommt ist es eine gute Idee einmal einen anderen Hund nach Hause einzuladen. Auch einen Gasthund über mehrere Stunden zur Betreuung zu haben kann Hinweise geben.
Es hat Vor- und Nachteile für den bereits im Haushalt lebenden Hund, wenn ein weiterer Vierbeiner einzieht:
Vorteile
- Möglichkeit mehr Spiel- und Sozialverhalten zu zeigen
- Aufbau einer engen Bindung zu einem anderen Hund, ein „bester Freund“ für den Hund
Soziale Unterstützung - Gesellschaft in Abwesenheit der Bezugspersonen
- Diese Vorteile bestehen jedoch nur dann, wenn die Hunde auch tatsächlich miteinander harmonieren. Es kommt durchaus vor – und zwar häufiger als man vielleicht denken mag – dass die Beziehung der Hunde untereinander niemals über ein gegenseitiges Tolerieren hinaus geht und eine Bindung im eigentlichen Sinne ( = überproportionaler Austausch positiver Verhaltensreaktionen, Verhaltensangleichung, Trennungsstress, etc.) entsteht zwischen den Hunden niemals.
Nachteile
- Ressourcen, wie Futter, Spielzeug, Liegeplätze, Zuwendung der Bezugspersonen etc. müssen geteilt werden
- Die Beziehung zu den Bezugspersonen wird möglicherweise weniger eng, weil der einzelne Hund weniger Aufmerksamkeit bekommt als zuvor
- Wenn die Bedürfnisse der Hunde sehr unterschiedlich sind, müssen beide Hunde bei der Befriedigung dieser Bedürfnisse zurückstecken
- Harmonieren die Hunde nicht, ist diese Situation für alle Beteiligten stressend; es kann bei beiden Hunden zu unerwünschten Verhaltensweisen kommen, sowohl im Umgang miteinander als auch in der Reaktion auf Umweltreize
- Sie sollten sich die aufgeführten Punkte bewusst machen und den eigenen Hund realistisch einschätzen können. Oft hilft es, einen Aussenstehenden mit einzubeziehen. Häufig können Menschen, die dem Hund gegenüber neutraler und weniger emotional gegenüberstehen gute Hinweise geben, ob der eigene Hund sich über einen vierbeinigen Mitbewohner tatsächlich freuen würde. Die Auswahl eines wirklich passenden neuen Familienmitglieds spielt hier natürlich auch eine ganz entscheidende Rolle: Auch Hunde sind wählerisch, was ihre Freunde betrifft und nicht jeder Hund findet jeden Hund gleich sympathisch.
Die nächste Frage, die sich stellt ist, ob man selbst eigentlich die Verantwortung für einen weiteren Hund übernehmen kann. Ist ausreichend Platz vorhanden, so dass die Hunde sich auch einmal aus dem Weg gehen können? Habe ich die Möglichkeit beide Hunde zeitweise zu trennen, so dass die Hunde lernen können, auch ohne den jeweils anderen alleine zu bleiben? Ist mein Auto gross genug für zwei oder sogar mehr Hunde, kann ich sie darin gut gesichert und ggf. getrennt voneinander transportieren? Kann ich mir Futter, Spielzeug, Steuern, Versicherung und die tierärztliche Versorgung für mehrere Hunde leisten? Auch falls beide Hunde einmal zur gleichen Zeit erkranken oder sich verletzen? Habe ich die Zeit mich auch mit jedem Hund ausreichend alleine zu beschäftigen und gerade in der Anfangsphase auch einmal getrennt mit den Hunden spazieren gehen? Bin ich in der Lage beiden Hunden gerecht zu werden, auch wenn der bereits vorhandene Hund alt wird und deshalb mehr Pflege und Fürsorge braucht? Kann ich Geld in einen kompetenten Trainer investieren, der bei der Integration des neuen Familienmitglieds oder Problemen unterstützt? Wer kann die Hunde betreuen, falls ich selbst es einmal nicht kann? Ein Hund ist meistens schnell bei Familie oder Freunden untergebracht, bei zwei oder gar mehr Hunden wird das schon schwieriger. Was passiert, wenn ein Umzug z.B. aus beruflichen Gründen nötig wird? Es ist schon mit einem Hund nicht immer einfach eine Wohnung zu finden, mit zwei oder noch mehr Hunden wird es noch schwieriger. Das Gleiche gilt wenn man mit den Hunden gemeinsam in den Urlaub fahren will.
Eine weitere Überlegung die Sie anstellen sollten ist die, ob der Zeitpunkt einen weiteren Hund in die Familie zu holen der richtige ist. Grundsätzlich sollte der bereits vorhandene Hund erwachsen sein und er sollte keine Verhaltensweisen (mehr) zeigen, die viel Aufmerksamkeit von Seiten des Menschen, Management und Training erfordern, wie z.B. starkes Jagdverhalten, Aggressionsverhalten gegenüber Menschen und/oder Hunden (vor allem in Zusammenhang mit Ressourcen – verteidigt Ihr Hund z.B. Sie, Ihre Futtertasche oder seinen Ball wenn sich ein anderer Hund nähert?). Es sollte „langweilig“ mit dem Ersthund sein, sprich der Hund ist sowohl zu Hause (auch wenn Besuch kommt) und auch auf Spaziergängen meistens entspannt und kann sich schnell beruhigen, wenn ihn doch einmal etwas aufregt. Ausserdem sollten Sie in den ersten drei bis sechs Wochen sicherstellen können, dass die Hunde ganztags beaufsichtigt werden und das nach Möglichkeit von Ihnen selbst oder von mit im Haushalt lebenden Familienmitgliedern. Ideal ist es, wenn Sie zumindest in den ersten zwei bis drei Wochen Urlaub nehmen können. Der neue Hund braucht Zeit um sich an Sie und sein neues Umfeld zu gewöhnen und alle Hunde (egal ob es nun zwei, drei oder gar mehr sind) brauchen Zeit um sich aneinander zu gewöhnen. Ihre Unterstützung ist dabei unbedingt nötig.
Bei der Beantwortung all dieser Fragen sollten Sie gnadenlos ehrlich zu sich selbst sein. Denn niemandem ist geholfen, wenn sich herausstellt, dass ein weiterer Hund eigentlich gar keinen Platz in Ihrem Leben hat.
Wenn Sie sich nun also ausreichend Gedanken darüber gemacht haben, ob wirklich ein weiterer Hund bei Ihnen einziehen soll, dann ist es an der Zeit sich zu überlegen, welcher Kandidat für Ihren Haushalt am geeignetsten wäre. Damit beschäftigt sich der nächste Teil dieser Reihe, der in Kürze veröffentlicht wird.
Gerne Begleite ich auch Sie in das Universum Hund und zeige Ihnen das Wesen Hund.
In diesem Sinne, geniesst die Zeit mit euren Fellnasen.
Euer Chrigi
Im 3ter Teil der Artikelserie „Mehrhundehaltung“ wird es um das Thema „Was soll es werden… ?“ gehen und welche Überlegungen dabei wichtig sind und wir schauen uns die Vor- und Nachteile der Wahl an.
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